Buchtipp: Eine kurze Geschichte der Menschheit

Ein Buch, dass mich vor Kurzem sehr beeindruckt hat, ist "Eine kurze Geschichte der Menschheit" von Yuval Noah Harari. Auf gut 500 Seiten schafft es Harari, die Geschichte der Menschheit mit allen wichtigen Gabelungen und Entscheidungsmomenten in einer unglaublichen Prägnanz zu skizzieren. Dabei schreibt er aber so locker und interessant, dass ich das Buch nur schwer aus der Hand legen konnte.

Wie hat es der Mensch geschafft, sich von einem unbedeutendem Tier, das vor 100.000 Jahren in Ostafrika lebte, zu dem mächtigsten, aber auch zerstörerischsten Lebewesen dieses Planeten zu entwickeln? Dies ist die zentrale Frage, der das Buch nachgeht. Eine andere interessante Frage beschäftigt sich damit, wieso am Ende der Homo sapiens als einzige menschliche Spezies überlebt hat. Es gab nämlich anfangs neben dem Homo sapiens noch mindestens fünf weitere Spezies, die in anderen Gegenden lebten und an diese angepasst waren.

Das Buch ist in folgende vier Teile gegliedert:

  • Die kognitive Revolution
  • Die landwirtschaftliche Revolution
  • Die Vereinigung der Menschheit
  • Die wissenschaftliche Revolution

Das sind Harari nach die vier wesentlichen Meilensteine in der Entwicklung der Menschheit. Die kognitive Revolution vollzog sich von vor ca. 70.000 Jahren bis vor ca. 30.000 Jahren. Die Ursache, wieso sie sich gerade beim Homo sapiens vollzog, ist noch ungeklärt. Sie sorgte aber für Änderungen im menschlichen Gehirn, die es dem Homo sapiens ermöglichten, in größeren Gruppen zusammen zu arbeiten. So waren die Menschen imstande, Mythen zu entwickeln, an die sie gemeinsam glaubten oder über andere Menschen zu tratschen. Vor der kognitiven Revolution konnten die Menschen nur über Tatsachen kommunizieren ("Dort kommt ein Löwe!").

Aus diesen Mythen heraus entstanden Kulturen, von denen es in der heutigen Zeit eine unüberschaubar riesige und vielfältige Auswahl gibt. Ich als Veganer bekomme oft das Argument zu hören, dass eine vegane Lebensweise unnatürlich ist. Hierzu zitiere ich freudig das Buch:

"Die hitzigen Debatten um die »natürliche Lebensweise« des Homo sapiens übersieht einen ganz entscheidenden Punkt: Seit der kognitiven Revolution haben wir Sapiens keine natürliche Lebensweise mehr. Wir können lediglich aus einer verwirrenden Vielfalt von kulturellen Möglichkeiten wählen."

BAM!

Vor ca. 12.000 Jahren begann dann die landwirtschaftliche Revolution. Diese war für die Gesamtheit der Menschen ein riesiger Evolutionssprung, für den einzelnen allerdings verschlechterten sich die Lebensumstände im Vergeich zu den Jägern und Sammlern aber:

"Mit der landwirtschaftlichen Revolution nahm zwar die Gesamtmenge der verfügbaren Nahrung zu, doch die größere Menge an Nahrungsmitteln bedeutete keineswegs eine bessere Ernährung oder mehr Freizeit. Im Gegenteil, die Folgen waren eine Bevölkerungsexplosion und die Entstehung einer verwöhnten Elite. Im Durchschnitt arbeiteten die Bauern mehr als die Jäger und Sammler und bekamen zum Dank eine ärmere Kost. Die landwirtschaftliche Revolution war der größte Betrug der Geschichte."

Ursprünglich lebten die Menschen auf der Erde in ganz vielen verschiedenen kleinen Welten, die voneinander nichts wussten. Heute dagegen leben alle Menschen vereint in einer großen Welt. Im dritten Teil des Buches geht es darum, wie folgende drei Strömungen seit dem ersten Jahrhundert vor Christus dafür sorgten, dass diese Vereinigung der Menschen stattfinden konnte:

  • Wirtschaft: Die Entwicklung des Geldes
  • Politik: Die Entwicklung des Imperialismus
  • Religion: Die Entwicklung der Weltreligionen

Alle drei Zweige beschreibt und analysiert Harari bis ins Detail ohne dabei langweilig oder trocken zu werden. Für mich war es das erste Mal, diese vielen komplizierten Entwicklungen so detailliert und im Zusammenhang zueinander zu sehen.

Im letzten Teil geht es natürlich um die industrielle Revolution und den bis heute immer weiter steigenden Einfluss der Wissenschaften. Endgültig begeistern konnte mich Harari damit, dass er gegen Ende der Erklärung der wissenschaftlichen Revolution ein ganzes Kapitel dem Thema Glück widmete:

"Obwohl sich Geschichtswissenschaftler mit fast jedem erdenklichen Thema beschäftigen – von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft über Geschlechter und Sexualität bis zu Krankheiten, Essen und Kleidung –, haben sie sich nie gefragt, welchen Einfluss das alles auf das Glück der Menschen hat. Das ist die größte Lücke in der Geschichtsschreibung."

In diesem Kapitel geht er auf die Glücksforschung ein, sowie auf die Definitionen von Glück in verschiedenen Regionen und Religionen der Erde.

Für mich war das Lesen des Buches ein sehr erhellendes Erlebnis und ich kann jedem, der sich nur ein wenig für unsere Geschichte interessiert, ans Herz legen, sich das Buch einmal anzuschauen. Falls ihr mit dem geschriebenen Wort nicht soviel anfangen könnt, sondern lieber Videos schaut: Harari lehrt diesen Stoff auch hier bei Coursera als MOOC (gefunden bei In trockenen Büchern)!

Zum Abschluss gibts noch fünf weitere Zitate aus dem Buch, die ich besonders bemerkenswert fand:

"Für jeden Euro, den eine Bank besitzt, darf sie zehn verleihen, was umgekehrt bedeutet, dass 90 Prozent des Geldes auf unseren Konten nicht durch »echtes Geld« gedeckt ist."

"Auch der indische Subkontinent wurde nicht vom britischen Staat erobert, sondern von einer Söldnerarmee der British East India Company. Diese Aktiengesellschaft stellte sogar die VOC in den Schatten. Von ihrem Hauptquartier in der Leadenhall Street in London herrschte sie mehr als ein Jahrhundert lang über ein gewaltiges indisches Reich und unterhielt ein Heer, das mit 350000 Soldaten größer war als das der britischen Krone. Erst im Jahr 1858 wurde Indien zusammen mit der Armee des Unternehmens »verstaatlicht«. Napoleon mokierte sich über die Briten und nannte sie eine Nation von Krämern. Doch am Ende besiegten diese Krämer Napoleon und gründeten das größte Weltreich aller Zeiten."

"Die industrielle Tierhaltung hat genauso wenig mit einem Hass auf Tiere zu tun, wie die Sklavenhaltung mit einem Hass auf Afrikaner zu tun hatte. Das Motiv ist hier wie da die Gleichgültigkeit."

"Die zwei wichtigsten Beispiele für den Aufstieg der erfundenen Gemeinschaften sind die »Nation« und die »Verbraucher«. Die Nation ist die erfundene Gemeinschaft des Staates. Die Verbraucher sind die erfundene Gemeinschaft des Marktes."

"Die Ursache des Leids ist nicht die subjektive Empfindung von Schmerz, Trauer oder Sinnlosigkeit. Die Ursache des Leids ist genau diese Jagd nach beliebigen subjektiven Empfindungen, denn sie versetzt uns in einen dauernden Zustand der Anspannung, Verwirrung und Unzufriedenheit."

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